Die "Wolfsschanze"

Als „Führerhauptquartier“ bezeichnet man im allgemeinen die Befehlsstelle Hitlers im 2. Weltkrieg. Es befand sich nicht immer an derselben Stelle sondern wurde je nach Lage der Front verlegt. Am längsten befand es sich in Rastenburg in Ostpreußen. Für kurze Zeit war es auch in Winniza in der Ukraine. Im Westen lag es zuerst bei Münstereifel, dann im nördlichen Schwarzwald und dann bei Ziegenberg im Taunus. In Belgien war es in Bruly de Peche, in Frankreich bei Soisson. Auch der Berghof auf dem Obersalzberg und die Reichskanzlei in Berlin fungierten zumindest zeitweise als sogenanntes FHQ.

Ab Herbst 1940 wurde mit den Vorarbeiten zum FHQ-Rastenburg „Wolfsschanze“ begonnen. Das Projekt stammte vom berühmten Architekten Peter Behrens, ausgeführt hat die Arbeiten die Organisation Todt. Fast der gesamte Forst zwischen Görlitz und Partsch bei Rastenburg wurden für die großflächige Anlage vereinnahmt.

Schnell wurde die Anlage zum bestbewachtesten Sperrgebiet der Welt, in dem sich immer etwa 2100 Offiziere, Soldaten und Zivilbedienstete aufhielten.. Neben 29 großen Bunkeranlagen entstanden unzählige kleinere Bunker, Splittergräben, Befestigungsanlagen, Maschinengewehrnester, Baracken und Garagen. Im Verlauf des Krieges wurden die Decken einiger wichtiger Bunker, auf Grund neuer bekannter Luftminen und Durchschlagsgeschosse, verstärkt und erreichten Dicken bis zu 8 Metern.
Von links nach rechts: Stauffenberg, Puttkamer, Bodenschatz, Hitler, Sicherheitsbeamte und Keitel 15. Juli 1944 Trotzdem ereilte den Diktator gerade dort in dieser sicheren Burg fast sein Schicksal. Am 20. Juli 1944 versuchte der Chef des Ersatzheeres Graf von Stauffenberg in der Lagebaracke Hitler mittels einer Sprengladung in seiner abgestellten Aktentasche in die Luft zu sprengen. Das Attentat mißlang, weil die Bombe nicht im Drucksicheren Bunkerinneren, sondern in der Großfenstrigen Bunkerbaracke zündete und Hitler im Moment der Explosion die schweren Platten aus Eichenholz, auf denen der Kartentisch montiert war, zwischen sich und der Bombe hatte, welche die Wirkung minderten. Hitler hatte Minuten vor der Besprechung diese vom Bunker in die Baracke verlegt. Stauffenberg, der zunächst flüchten konnte, wurde in Berlin verhaftet und mit den anderen Verschwörern noch in der selben Nacht erschossen. 700 weitere Verhaftungen und 150 Todesurteile folgten.

Am 20.November1944 verließ Hitler mit einem Sonderzug für immer diese Kriegsfestung. Die Russen waren an den Grenzen Ostpreußens angelangt und weniger als 100 Kilometer entfernt.

Am 24. Januar 1945, als die Sowjets in Angerburg einmarschierten, sprengten Pioniere der Wehrmacht die Objekte. Für einen Großbunker wurden dafür jeweils 8 Tonnen Sprengstoff gebraucht. Drei Tage später erreichte die Rote Armee den Trümmerberg.

Ich war im Sommer 1973 das erste mal als 8 Jähriger mit meinen damals noch jungen Eltern die Bunker besichtigen. Wir waren nahezu die einzigen Besucher. Der massurische Urwald hatte die Trümmer vereinnahmt, nur der kleine Friedhof im ehemaligen Sperrkreis der Anlage wurde von einem alten Mütterchen besucht, die dort noch einsame Gräber pflegte. Im farnigen Unterholz versperrten alte rostige Stacheldrahthindernisse meinen Kinderbeinen den Weg und die gewaltigen Betonkolosse der gesprengten Ruinen wurden von mir überhaupt nicht überschaut und somit ihre tatsächliche Dimension wohl kaum eingeschätzt. Vielleicht zwei Stunden hielten wir uns zwischen den Ruinen auf, meine Mutter kochte auf einem kleinen Kocher Suppe, der Vater schaute sich etwas um, ich kroch zwischen die halbeingestürzten Bunkerwände. Vom alten Friedhof nahm ich mir ein kleines Stückchen Grabstein mit. Genug lag davon herum, die Polen hatten die meisten der deutschen Gräber geschliffen, die Steine zerschlagen.

Ich erinnere mich noch an einen folgenden Schulaufsatz – „Mein schönstes Ferienerlebnis“. Der Aufsatz war orthographisch gelungen, zwei Fotos wurden dazugeklebt – es gab nur eine „Drei“, nach langen Diskussionen mit der Lehrerin. Ich hatte die deutschen Namen verwendet. Sie verbesserte mich, aber ich beharrte, sie strich die deutschen Ortsnamen einfach weg und somit ergab mancher Satz keinen rechten Sinn, die Wörter fehlten einfach – so einfach war das damals in der DDR.

1979 war ich nochmals dort. Etliches hatte sich verändert, die Polen betrieben schon einige Kioske auf dem Gelände, es gab ein Kino, Buden, Händler. Wege waren zwischen den Ruinen entstanden. Die Landschaft war sonst noch die selbe, schön und verträumt. Die alten ruinösen Häuser aus deutscher Zeit waren immer noch bewohnt, die alte Reklame noch zu lesen und die Gardinen aus Vorkriegszeit hingen vergilbt in den Fenstern. 1997 dann der 1973 und 1998dritte, 1999 mit meinem Sohn der vierte Besuch. Am landschaftlichen Umfeld hatte sich immer noch nicht viel verändert – die Straßen waren besser, die Häuser teilweise neu eingedeckt, die alte deutsche Reklame aber unter der schlechten Übertünchfarbe wieder zum Vorschein gekommen. Die Polen hatten am Führerhauptquartier eine neue Finanzquelle erschlossen. Tourismus pur. Im Umland war weiträumig parken verboten, Milizionäre kassierten bei Verstößen knallhart ab. Es gab alles in deutscher Sprache, nicht nur den „Kostenpflichtigen bewachten Parkplatz“ und „Bockwürstchen“ sondern auch die Neuauflage von Hitlers „Mein Kampf“ war eindeutig ausgeschildert. An einem makabren Stand Erkennungsmarken gefallener Soldaten, eiserne Kreuze und NSDAP-Parteiabzeichen. Zum überwiegenden Teil sicherlich nachgepreßt bzw. gefälscht.  Sicher wird ein Vorurteil pauschalisiert - aber hier gewinnt man den Eindruck von einem Volk der Krämer, Händler, und Scharlatane - die keine Scham oder Moral kennen wenn es um Devisen geht, zumindest keine gesellschaftspolitische.